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Beschreibung

Ehemalige Produktionsstätten von Holzkohle können heute als „Geländearchive“ für anthrakologische Studien genutzt werden. Die in den Bodenschichten angereicherte Holzkohle bietet die Möglichkeit, detaillierte Aussagen zur früheren Holznutzung und damit zu den genutzten Waldbeständen und deren Entwicklung unter dem Einfluss des Menschen zu treffen. Auf Grundlage vegetationskundlicher und holzkohleanalytischer Untersuchungen werden demnach Fragen zur Art und Weise historischer Waldnutzungen, zum Zusammenhang zwischen Nutzungsspektrum und standörtlich bedingtem Holzangebot sowie zu anthropogen verursachten Veränderungen von Natur und Landschaft behandelt.

Im Untersuchungsgebiet Nordschwarzwald wurden insgesamt 33 Kohlstätten, zusammengesetzt aus 55 Fundplätzen, analysiert. Die Untersuchungsstandorte befinden sich nördlich und östlich der Gemeinde Baiersbronn im Wuchsbezirk Hornisgrinde-Murgschwarzwald, jedoch in zwei verschiedenen naturräumlichen Einheiten. 23 Standorte liegen in Einheit 151 (Grindenschwarzwald und Enzhöhen), zehn Standorte sind der östlich angrenzenden Einheit 150 (Schwarzwald-Randplatten) zugehörig, sodass ein naturräumlicher Vergleich der Ergebnisse möglich ist.
Im Ganzen wurden 3532 Holzkohlestücke (2,3 kg) untersucht. Dabei wurden alle von Natur aus zu erwartenden Baumarten bzw. -gattungen nachgewiesen. Die häufigste nachgewiesene Art war die Tanne (46 %), gefolgt von Fichte (20 %) und Buche (16 %), womit alle Hauptbaumarten vorherrschend im Fundgut vorhanden waren. Ebenfalls beachtliche Anteile erreichten Kiefer (11 %), Birke (5 %) und Eiche (2 %). Ferner wurden die Nebenbaumarten Erle, Kirsche, Pappel, Weide, Stechpalme und Kernobstgewächse (Pomoideae) genutzt, deren Anteile jeweils bei unter 1 % lagen und damit mengenmäßig von untergeordneter Bedeutung sind.

Obwohl das natürliche Baumarteninventar in der Holzkohle gut abgebildet ist, entsprechen die ermittelten Mengenverhältnisse der Nutzungsspektren jedoch nur bedingt den zu erwartenden, naturnahen Verhältnissen. Mit 16 %igem Anteil wurde die Buche nach der Fichte als dritthäufigste Hauptbaumart nachgewiesen, womit die Fichte nach heutiger vegetations- und standortskundlicher Sicht über- und die Buche unterrepräsentiert zu sein scheint. Zudem sprechen die hohen Anteile von Birke, Eiche und vor allem Kiefer auf die Nutzung von bereits beeinflussten Waldbeständen, sodass die Ergebnisse vielerorts nicht das Holzangebot einer langlebigen, natürlichen Schlusswaldgesellschaft abbilden. Hinweise auf selektives Arbeiten der Köhler oder Holztransport konnten nicht festgestellt werden.

Neben der Holzkohleanalyse wurde die aktuelle Vegetation in den „hypothetischen“ Einzugsgebieten der Kohlstätten erfasst. Die kartierten Waldtypen setzen sich überwiegend aus den beiden Tannenwaldtypen Luzulo-Abietetum und Galio-Abietetum zusammen. Gebietsweise kommen zudem Vaccinio-Abieteten und Galio-Fageten vor. Die heutige Baumschicht wird größtenteils von der Fichte dominiert, wobei die Tanne in einigen Beständen ebenfalls mit vergleichbaren Anteilen beteiligt ist. Die Buche spielt in den erfassten Waldbeständen hingegen kaum eine Rolle und ist meist nur als „beigemischt“ anzusehen. Weitere, regelmäßig auftretende Baumarten sind Berg-Ahorn und Eberesche, vereinzelt beteiligen sich zudem Kiefer und Douglasie.
Bei Betrachtung der Einzelbefunde lassen sich zahlreiche Unterschiede feststellen, die einerseits auf natürliche Standortsunterschiede, andererseits auf anthropogene Beeinflussung und Veränderungen der genutzten Wälder zurückzuführen sind. Beim Vergleich der Naturräume fallen die ungleichen Nutzungsspektren auf, die sich gut mit den natürlich-standörtlichen Unterschieden erklären lassen. So wurden in Einheit 150 Buchen-Tannenwälder genutzt, während in Einheit 151 vermehrt Fichten- und Kiefernholz verkohlt wurde. Allerdings können diese Befunde nicht allein durch natürliche Unterschiede erklärt werden. In den Proben einiger Meilerplätze aus Einheit 151 konnten Birken und Eichen nachgewiesen werden, die in Kombination mit genutzter Fichte und vor allem Kiefer auf vom Menschen beeinflusste, aufgelichtete Standorte schließen lassen. Demzufolge ist davon auszugehen, dass die Wälder an solchen Standorten bereits beeinflusst und teils degradiert waren. Für diesen Befund sprechen die Lokalitäten der entsprechenden Kohlstätten, da diese mehr oder weniger siedlungsnah gelegen sind und folglich leichter zugänglich waren. Das im Allgemeinen buchenarme Fundgut aus Naturraum 151 kann zudem auf ein aktives Verdrängen dieser Baumart zurückgeführt werden, was zum Vorteil der Nadelbaumarten und somit zur Förderung anderer wichtiger Wirtschaftszweige praktiziert wurde.

Die vegetationskundlichen Daten lassen ebenfalls teils auf natürlich-standörtliche, teils auf anthropogen verursachte Veränderungen schließen. So wurde als häufigster Waldtyp der Labkraut-Tannenwald kartiert, obwohl diese Einheit nach heutiger Sicht nicht als natürlich ausgeprägte Waldgesellschaft im Untersuchungsgebiet erwartet wird. Das Vorkommen der für diese Einheit typischen Differentialartengruppe könnte durch die großflächig durchgeführten Walddüngungen erklärt werden, wodurch sich nach und nach nährstoff- und basenzeigende Arten ansiedeln und somit die Natürlichkeit der Waldlebensräume verzerrt wird. Während die ebenfalls erfassten Einheiten Luzulo-Abietetum, Vaccinio-Abietetum und Galio-Fagetum die natürlichen Vegetationsverhältnisse gebietsweise gut abbilden, spielte das Luzulo-Fagetum wider Erwarten keine Rolle. Das Fehlen der buchendominierten Waldgesellschaft kann ebenfalls auf eine Veränderung der Bodenvegetation, ausgelöst durch die Förderung und den Anbau von Nadelholz, insbesondere der Fichte, zurückgeführt werden.

Zusammengefasst lässt sich ein mehr oder weniger enger Zusammenhang zwischen Nutzungsspektrum und standörtlich-vegetationskundlicher Daten feststellen, wobei eine Bewertung aufgrund anthropogener Beeinflussung an einigen Standorten erschwert wird. Die Nutzungsspektren vieler Standorte bilden das natürlich-standörtlich bedingte Holzangebot jedoch gut ab, sodass wertvolle Aussagen zum ehemaligen Holzangebot und damit zur ursprünglichen Vegetation sowie ihrer Nutzung und Veränderungen durch den Menschen erzielt werden können.

Übergeordnete Objekte

Beendete Forschungsprojekte


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